Eine unmögliche Prophezeiung, die eine Fluggesellschaft in die Knie zwang: Eine Posse über Aberglauben und die Macht der Manga
Tokio, Japan – Man schreibt das Jahr 2025. Die Kirschblüten sind verblüht, die Sommersonne brennt vom Himmel und in den Vorstandsetagen der Fluggesellschaften herrscht blanke Panik. Der Grund? Keine neue Pandemie, kein unberechenbarer Vulkan, sondern die gefürchtete Prophezeiung einer Mangaka, die das wirtschaftliche Rückgrat der japanischen Tourismusbranche erschüttert.
Die Geschichte beginnt, wie es sich für ein ordentliches Drama gehört, in der Vergangenheit. Im Jahre 1991, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte und die Welt noch analog tickte, veröffentlichte Ryo Tatsuki Baba Vanga ein Werk, in dem sie – quasi im Vorbeigehen – ein verheerendes Erdbeben für das Jahr 2011 vorhersagte (The Future I Saw). Am 11. März 2011 war es dann soweit: Ein Beben der Stärke 9, das stärkste in der Geschichte Japans, erschütterte das Land, löste einen gewaltigen Tsunami aus und führte zur Katastrophe im Kernkraftwerk Fukushima. Mehr als 20.000 Menschen verloren ihr Leben. Ein Treffer, dessen Eintreten an makaberer Präzision kaum zu überbieten ist.
Schneller Vorlauf ins Jahr 2021. Die Neuauflage ebenjenes Mangas erblickt das Licht der Welt und mit ihr eine neue, mindestens genauso düstere Vorhersage: Ein weiteres katastrophales Erdbeben, datiert auf den 5. Juli 2025.
Was folgt, ist ein Lehrstück in Massenhysterie. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien und entfacht eine Welle der Angst, die rationale Argumente einfach hinfortspült. Plötzlich brechen bei den Fluggesellschaften die Buchungen für den japanischen Sommer dramatisch ein. Besonders hart trifft es Hong Kong Airlines. Die Fluglinie, die ihre Verbindungen nach Kagoshima und Kumamoto nach der Corona-Zwangspause 2024 gerade erst wieder aufgenommen und wegen der boomenden Nachfrage sogar von drei auf vier Flüge pro Woche aufgestockt hatte, sieht sich gezwungen, sämtliche Flüge für Juli und August zu stornieren. Der Grund: gähnende Leere in den Buchungssystemen.
Dabei ist die Vorhersage eines Erdbebens in Japan an sich so spektakulär wie die Prophezeiung, dass auf Regen irgendwann wieder die Sonne scheint. Japan liegt auf dem Pazifischen Feuerring; das Land bebt quasi im Wochentakt. Doch im Zeitalter von Fake News und viraler Panikmache verkommt die geologische Realität zur Nebensache. Eine obskure Zeichnung aus einem Comic hat plötzlich mehr Gewicht als die geballte Expertise von Seismologen weltweit.
Es ist eine Ironie, die selbst den zynischsten Beobachter schmunzeln lässt: In einer Welt, die sich ihrer Aufgeklärtheit und Wissenschaftsgläubigkeit rühmt, schafft es ein Stück bedrucktes Papier, eine milliardenschwere Branche in die Knie zu zwingen. Ein Triumph des finstersten Aberglaubens über die Vernunft. Es scheint, als hätte Albert Einstein mit seiner Einschätzung über die menschliche Dummheit den Nagel auf den Kopf getroffen: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Die Chefetagen von Hong Kong Airlines dürften ihm derzeit wohl uneingeschränkt zustimmen.

Infos zum Tohoku-Erdbeben
Datum und Uhrzeit: 11. März 2011, 14:46 Uhr Ortszeit (JST)
Epizentrum: Pazifischer Ozean, ca. 130 km östlich der Halbinsel Oshika in der Region Tōhoku
Herdtiefe: ca. 24 – 32 km unter dem Meeresboden
Magnitude: 9,0 – 9,1 – Das stärkste jemals in Japan gemessene Erdbeben und eines der vier stärksten weltweit seit Beginn der modernen Aufzeichnungen.
Dauer des Bebens: Etwa 5 bis 6 Minuten
Art des Bebens: Seebeben (die Pazifische Platte schob sich unter die Nordamerikanische Platte)
Tsunami: Löste einen massiven Tsunami aus.
Wellenhöhe: Erreichte an der Küste Höhen von bis zu 40,5 Metern (in der Präfektur Iwate).
Ausbreitung: Die Tsunami-Wellen breiteten sich über den gesamten Pazifik aus und erreichten sogar die Küsten Nord- und Südamerikas.
Opferzahlen: Offiziell bestätigt (Stand März 2021): 19.747 Tote, 6.242 Verletzte und 2.556 Vermisste. Die meisten Todesfälle wurden durch den Tsunami verursacht.
Wirtschaftlicher Schaden: Geschätzt auf ca. 235 bis 300 Milliarden US-Dollar. Damit gilt es als die teuerste Naturkatastrophe der Geschichte. Über 120.000 Gebäude wurden vollständig zerstört, fast eine Million weitere beschädigt.
Nuklearkatastrophe: Der durch das Erdbeben und den Tsunami verursachte Ausfall der Kühlsysteme im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi führte zu Kernschmelzen in drei Reaktoren. Dies wurde als Stufe 7 (katastrophaler Unfall) auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) eingestuft, die höchste Stufe.
Weitere Folgen: Weitflächige Zerstörung der Infrastruktur (Straßen, Brücken, Schienen, Häfen). Langanhaltende Stromausfälle. Absenkung der japanischen Ostküste um bis zu einen Meter. Verschiebung der japanischen Hauptinsel um ca. 2,4 Meter nach Osten.
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