Ein friedlicher Frühlingsmorgen legte sich über das Feenland wie ein seidiger Schleier aus Sonnenstrahlen und Vogelgezwitscher. In einem kleinen Häuschen am Rande des Wildblumengartens summten Bienen, die Fenster standen offen, und drinnen lag der Duft von frisch gebackenen Erdbeer-Muffins in der Luft. Funny stand in der Küche und zauberte.

Doch dann – KLING! KLONG! BZZZT! – heulte das Notfall-Kommunikationshorn auf, und die Ruhe war mit einem Schlag dahin.
„Was zum Blütenstaub?!“
Lily, die quirlig-aufgedrehte Blumenelfe warf ihr knallrotes Haar über die Schulter, sprang über die Lehne ihres Sessels und schlitterte auf Knien zur Tür.
„Action?! Juhu! Ich wusste, heute wird ein toller Tag!“
Funny, kam mit einem Notizblock aus der Küche.
„Wenn das Horn ertönt, bedeutet das normalerweise nichts Gutes, Lily. Denk an letztes Mal.“
„Fun-chan, du bist eine Spaßbremse“, rief Lily, stimmte aber ihrer Freundin zu.
„Was ist los?“
Darin betrat die Szene mit seiner üblichen Ruhe, die silbernen Haare zerzaust, vermutlich steckte sein Kopf wieder in irgendwelchen technischen Basteleien.
Funny schnippte mit dem Finger und ein schimmerndes Mini-Hologramm projizierte sich über ihrer Handfläche.
„Das Signal kommt direkt von der Zentrale. Notruf vom Marktplatz.“
Da klopfte es hektisch am Fenster. Eine kleine Kurierfee flatterte wild mit den Flügeln, ließ ein mit einem Siegel versehenes Blatt Pergament fallen und war schon wieder verschwunden.

Funny nahm das Pergament und las. Ihre Augen wurden schmal.
„Ein riesiges goldenes Ei steht mitten auf dem Marktplatz. Keiner weiß, woher es kommt. Niemand traut sich ran. Die Wächter haben abgesperrt. Und wir… sollen uns darum kümmern.“
Lily strahlte.
„Ein goldenes Ei?! Vielleicht ist es ein gigantisches Schokoei! Vielleicht ist es verzaubert! Vielleicht kommt ein goldener Phönix raus! Oder oder oder—“
„Vielleicht ist es gefährlich“, warf Darin nüchtern ein. „Ich gehe in die Zentrale und sehe mir die magischen Aufzeichnungen an. Vielleicht hat das Überwachungssystem etwas eingefangen.“
„Dann gehen Lily und ich zum Marktplatz“, bestimmte Funny entschlossen. „Bleib in Kontakt, Darin.“
Mit einem Nicken trennten sie sich.
Am Marktplatz
Schon von weitem sah man das Ei. Riesig. Golden. Glänzend. Es thronte mitten auf dem Pflaster, als wäre es schon immer dort gewesen.
„Oh… mein… Gänseblümchensaft…“, hauchte Lily.
Und dann – bevor Funny sie aufhalten konnte – rannte Lily los.

„Eiiiiiiiii!! Ich liebe dich jetzt schon!!“ rief sie, sprang auf das Ei zu und warf sich liebevoll dagegen.
„Du bist so wunderschön! Und soooo glatt! Ich wette, du bist ein Drachen-Ei, stimmt’s? Oh ja, ich weiß es einfach!“
Funny seufzte, schlug sich gegen die Stirn. „Warum habe ich sie nicht vorher an die Leine gelegt?“
Sie holte ihren magischen Tricorder heraus, scannte die Umgebung. Nichts. Keine Magiereste. Keine Spuren von Tarnzaubern. Sie scannte auch das Ei, aber die goldene Schale blockte alles ab.
Dann wandte sie sich den Wächtern zu, die das Areal umstellt hatten. „Irgendwelche verdächtigen Bewegungen bemerkt?“
„Nein, Funny“, sagte einer. „Das Ei war einfach… da.“
Inzwischen redete Lily beruhigend auf das Ei ein, streichelte es sogar. „Niemand wird dir etwas tun, kleines Ei. Du wirst mal ein ganz besonders hübscher Drache, das spür‘ ich!“
In der Zentrale
Darin saß über blinkenden Kristallen und bewegte seine Hände in der Luft, während holographische Bildfragmente aus der Überwachung schwebten. Er zoomte, drehte, filterte.

„Aha…“, murmelte er. „Da. Ein Wagen. Massiver Stoß auf der Brücke. Objekt rollt vom Anhänger… Moment… der kam wie der Wind aus Drachental.“
Darin schaltete den Kontrollmonitor zum Drachental.
„Verdammt! Die Drachen sind in Aufruhr“, er warf einen Blick auf die Anzeigen des Abschirmzaubers, „noch hält unser Blockschutz.“
Er griff zu seinem Notizblock, notierte alles blitzschnell – und war schon auf dem Weg.
Wieder am Marktplatz
„Das war kein Zufall“, sagte Darin ruhig, als er sich zu den beiden gesellte. „Ich habe den Transport gesehen. Das Ei ist vom Wagen gefallen – der kam aus dem Drachental. Der Inhaber des Wagens ist nicht zu ermitteln. Die Spur des Wagens hat sich verloren.“
„Pah! Na klar kommt ein Drachenei aus dem Drachental. Woher denn sonst?!“ lachte Lily und stupste ihn in die Seite.
Funny verschränkte die Arme. „Das Ei wurde gestohlen, soviel ist klar. Ich wette, die Drachen sind bereits auf der Suche. Und wenn die herausfinden, dass wir es haben—“
KRACK!
Ein leises Geräusch.
KRACKK!
Funny drehte sich um. Lily hielt den Atem an.
Dann – PSSSCH! – brach die Schale auf, und mit einem hochtönenden FIIEEP! sprang ein leuchtend grünes Drachenbaby aus dem Ei und landete quietschend in Lilys Armen.

„OHMEINBLÜTENSTAUB!!“ quietschte Lily zurück. „Du bist das aller-, aller-, aller-süüüüßeste Babywesen, das ich je gesehen habe!!“
Das Drachenbaby schmiegte sich schnurrend an sie. Lily drückte es liebevoll an sich.
Funny und Darin tauschten ernste Blicke.
„Wir müssen es zurückbringen. Sofort“, sagte Funny.
„Ich organisiere eine Kutsche“, meinte Darin.
Im Drachental
Die Luft war dicht von Rauch und das Drachenbrüllen war schon von weitem zu hören. Über den Bergen kreisten mehrere der majestätische Kreaturen – die Drachen waren in Aufruhr.
„Wir haben euch schon erwartet“, grollte ein riesiger, purpurfarbener Drache, der vor dem Tal wachte. Seine Stimme war tief und vibrierte bis in die Blätter der Bäume. „Habt ihr… unser Junges?“
Darin trat vor, Hände erhoben. „Wir haben es gefunden. Auf dem Marktplatz. Wir bringen es zurück.“

Lily trat zögernd vor. Sie hielt das Drachenbaby im Arm, das sich schnurrend an sie schmiegte.
„Ich… ähm… ach mein Schatz…“, sagte sie und ein Träne kullerte über ihre Wange. „Aber… du gehörst natürlich hierher. Kleine Schnuffelschuppe.“
Sie drückte dem Baby einen dicken Kuss auf die Stirn.
Funny und Darin standen hinter ihr. Funny warf Darin einen Seitenblick zu. „Mutig, nicht?“
Darin nickte leise.
„Und ziemlich süß.“
„Meinst du Lily oder das Drachenbaby?“
„…beide“, murmelte Darin.
Das Drachenbaby wurde seiner Mutter übergeben. Ein lautes, frohes Drachenbrüllen rollte durch das Tal, während die Drachen jubelten.
„Ihr habt unsere Dankbarkeit“, sagte der Drache. „Denkt an uns, wenn ihr in Not seid!“
Lily wischte sich die Träne ab. „Mach’s gut mein Kleiner“
Zurück im Häuschen
Lily ließ sich rücklings auf die Blumenwiese plumpsen. „Was für ein Tag!“
„Und nächstes Mal…“, sagte Funny trocken, „…bleibst du bitte weg von riesigen mysteriösen Eiern.“
„Niemals!“ lachte Lily. „Ihr wisst doch, Drachen sind mein Lebenselixier.“
„Und Chaos!“, riefen Darin und Funny im Chor.
„Wann bekomme ich endlich meinen eigenen kleinen Drachen?“, fragte Lily augenzwinkernd.
„Nicht heute, Li-chan, nicht heute“, winkte Funny ab. Sie wußte, bei Drachen vergaß Lily alles. An das Chaos, wenn Lily mit einem Drachen los zog, wagte niemand ernsthaft zu denken.

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