In der Abenteurergilde von Civitas Aurelia herrscht eine gedrückte Stimmung. Selbst die sonst so lauten Zwergen-Söldner trinken schweigend. An der großen Auftragstafel hängt ein von vielen Tränenflecken durchzogenes Pergament, das alle anderen Aufträge überschattet.
Funny stand davor, ihre himmelblauen Augen zu schmalen Schlitzen verengt. „Ein Wolf tyrannisiert die Dörfer am Rande des Alten Waldes“, las sie leise vor. „Betroffen sind über ein Dutzend Dörfer. Es wurden massive Wolfsspuren an den Tatorten gefunden.“

„Ein Wolf?“, schnaubte Lily und lehnte sich gelangweilt gegen ihre Naginata „Klingt nach ’nem Job für ’nen Jäger, nicht für B-Rang-Abenteurer. Was kommt als Nächstes? Kühe von der Weide schubsen?“
„Lies weiter, Lily“, sagte Darin mit seiner ruhigen Stimme. Er stand daneben, die Arme verschränkt.
„Alle Kinder in vom Wolf angegriffenen Häusern sind verschwunden. Die Suchtrupps, selbst die der Wächter, blieben erfolglos. Die Spuren verlieren sich im Wald. Der Täter schlägt nur dort zu, wo der Schutz kurzzeitig nicht gewahrt werden konnte.“
Funnys Miene verfinsterte sich und auch Lily war bestürzt. Kinder waren für sie das Beste überhaupt. In Lilys heimlichen Träumen purzelte eine ganze Schar kleiner süßer Blumenelfen-Kinder, die alle irgendwie nach Funny und Darin aussahen, durch ihr gemütliches WG-Haus.
Lily und Funny sagten fast synchron: „Wir nehmen den Auftrag an!“
Funny ergänzte noch: „Er ist intelligent. Er späht seine Opfer aus. Und er ist kein gewöhnlicher Wolf. Schon allein das macht ihn zu unserem Problem.“
Darin nickte nur, für ihn war von Anfang an klar: Kinder in Not? Dann kümmert sich Adiuva et Protege darum. Er wusste, wieviel Funny und Lily Kinder bedeuteten. Er würde es nie zugeben, aber sein Traum war dem von Lily nicht unähnlich…
Ihre ersten Ermittlungen waren frustrierend. Sie besuchten drei der heimgesuchten Dörfer. Die Tatorte waren magisch gesehen sauber. Darin scannte alles mit seinen Detektoren.
„Nichts“, murmelte er und putzte seine Brille. „Keine Magie, keine Magie-Signatur. Nur… Wolfsspuren und Schlamm, die sich letztendlich im Nirgendwo verlieren. Das passt nicht zusammen.“
„Er ist ein Geist, der keine magischen Spuren hinterlässt, aber trotzdem Schlamm an den Füßen hat?“, knurrte Lily. „Der Kerl ist nicht nur böse, er ist auch noch ein Schlammmonster.“
Sie saßen frustriert in ihrem Hauptquartier und brüteten über den Karten des „Alten Waldes“, als die Tür aufgestoßen wurde. Eine Frau stürmte herein, ihr Gesicht von Panik und Tränen gezeichnet.
„Ihr… ihr seid Adiuva et Protege? Bitte! Ihr müsst mir helfen!“
Funny sprang auf und nahm die völlig aufgelöste Frau in den Arm.
„Beruhigt Euch. Was ist geschehen?“
„Ich… ich war nur kurz beim Krämer! Nur eine Stunde!“, schluchzte die Frau. „Als ich zurückkam… waren sie weg. Alle sieben! Er hat sie geholt! Der Wolf! Er hat meine Kinder geholt!“

* * *
Das Haus der Frau war klein, aber hübsch und stand am äußersten Rand des Dorfes, direkt am Wald. Im Inneren herrschte Chaos. Umgeworfene Stühle, ein zerbrochener Waschtisch, ein Bett, das aussah, als hätte ein Sturm darin getobt.
„Darin, scanne alles“, befahl Funny.
Ihre Stimme war ruhig und konzentriert.
„Lily, sprich mit den Nachbarn. Jedes Detail. Der Müller, der Krämer – jeder, der auf dem Weg lag. Geh!“
Lily nickte nur, der bei ihr übliche freche Ton war einer eisigen Wut gewichen. Sie hasste es, wenn Kinder involviert waren.
Funny kniete sich auf den Boden. Sie sah die riesigen, schlammigen Wolfsspuren, die kreuz und quer durch den Raum liefen.
„Darin?“, fragte sie.
Darin schüttelte den Kopf.
„Ich scanne und scanne. Nichts. Keine Magie. Nur… Schlamm. Es ist so krass Nichts, als würde etwas die Signatur aktiv blockieren, aber ich habe nichts.“
Funny stand auf und ging den Raum ab. Ihr analytischer Blick erfasste jedes Detail.
„Er war hier drin. Tisch… Bett… Ofen… Küche… Schrank… Waschschüssel…“
Sie zählte die Verstecke.
„Sechs Verstecke. Die Mutter sagte, sie hat sieben Kinder.“
Ihre Augen fielen auf eine hohe, altertümliche Wanduhr in der Ecke. Sie bewegte sich lautlos darauf zu und öffnete vorsichtig die Tür des Uhrenkastens. Darin kauerte ein winziges, zitterndes Mädchen, nicht älter als fünf Jahre. Es hielt sich die Ohren zu und weinte lautlos.
Funny ließ ihre gesamte beruhigende Aura zu dem Mädchen fließen.
„Shhh. Hab keine Angst. Wir sind Freunde.“
Sie streckte langsam ihre Hand aus.
„Ich bin Funny. Wie heißt du?“
„M-Meta…“, flüsterte das Kind.
Während Funny das Mädchen beruhigte, stürmte Lily in die Müllerei. Der Müller, ein kräftiger Mann, war kreidebleich und schaufelte Mehl, als wäre der Teufel hinter ihm her.
„Ich… ich hab nichts gesehen!“, stammelte er, als er Lily wie einen Sturmwind mit hoch erhobener Naginata in seine Mühle stürzen sah.

„Hör zu, Mehl-Mann“, sagte Lily und lehnte sich lässig gegen die Tür. „Ich bin nicht von den Wächtern. Ich bin die, die den Monstern in den Hintern tritt und wenn die fragen Wieso gleich noch ein zweites Mal. Du redest jetzt mit mir, und ich regle das mit dem Monster, das dich erschreckt oder bedroht hat. Du redest nicht… dann wirst du ein viel größeres Problem mit mir bekommen. Also, wer war hier?“
Der Müller schluckte.
„E-Ein Mann. Furchtbar! Ganz dunkel gekleidet, mit Kapuze. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Er… er hatte eine Stimme wie ein kaputtes Mühlrad!“
„Ja, ja, kaputtes Mühlrad, kennen wir. Was wollte er?“, drängte Lily.
„Kreide! Ein riesiges Stück! Hat gefaucht, er müsse seine Stimme ‚fein‘ machen. Sonst frisst er mich! Was soll ich tun? Ich bin Müller, kein Held!“
„Entspann dich, Mehlgesicht“, sagte Lily, schon auf dem Weg zur Tür. „Hast alles richtig gemacht. Jetzt weiß ich, wem ich einen doppelten Einlauf verpassen werde.“
Nächste Station: der Bäcker. Der roch nach Angstschweiß und Hefe.
„Okay, Brötchen-Mann“, sagte Lily und schnappte sich einen Krapfen vom Blech. „Selbe Frage, anderes Gewerk. Wer war hier?“
„Ich hab nichts gesehen!“
Der Bäcker strahlte Panik pur aus.
Lily biss herzhaft in den Krapfen.
„Für NICHTS bist du ziemlich in Panik. Lüg‘ mich nicht an. Ich kann Lügen riechen. Und dieser Krapfen schmeckt außerdem nach Feigheit. Also?“
Drohend trat Lily noch einen Schritt auf den Bäcker zu, der wie Espenlaub zitterte.
„Er war’s!“, wimmerte der Bäcker. „Der Schatten! Er hat seine… Hand, Pfote, Pranke… auf den Tresen gelegt. Ganz schwarz. Voller Schlamm! Hat geknurrt, ich soll Teig draufschmieren. Er hätte sich ‚gestoßen‘!“
„Teig? Was ist das für ein Beauty-Programm?“, fragte Lily mit vollem Mund.
„Und dann Mehl! ‚Streu Mehl drauf, Bäcker, oder ich fresse dich!‘ Ich hab gestreut! Ich hab mein ganzes T-55er draufgestreut! Er ist gegangen, eine wandelnde Mehltüte des Grauens!“
Lily rannte zurück zum Haus.
„Funny! Ich hab’s! Der Kerl verkleidet sich! Er ist kein Wolf, er…“
Sie erstarrte in der Tür. Funny saß am Tisch und hielt die kleine Meta im Arm, die in eine Decke gewickelt war und heißen Kakao trank, den Darin blitzschnell zubereitet hatte.

„…es war so furchtbar“, schluchzte Meta gerade. „Er hat geklopft und mit Mamas Stimme geredet. Aber Hannes hat gesagt, die Stimme ist zu rau. Dann ging er weg.“
Funny nickte.
Lily flüsterte: „Die Kreide.“
„Dann kam er wieder!“, fuhr Meta fort. „Die Stimme war hell. Er sagte, wir sollen seine Hand sehen. Er hat sie ins Fenster gelegt… sie war ganz weiß! Wir dachten… wir dachten, es wäre Mama mit Mehl vom Backen!“
Lily ballte die Fäuste.
„Der Bäcker.“
„Wir haben aufgemacht“, weinte Meta. „Und er kam rein. Er war riesig. Schwarz. Mit roten Augen. Er hat gelacht. Und dann… dann wurde er… gigantisch. Er hat sie gepackt. Und… und…“ das Kind brach schreiend in Tränen aus, „…er hat sie verschluckt! Alle! Hannes, und Greta, und Paul… er hat sie alle gefressen!“
Meta schluchzte so herzerweichend, dass auch Lily die Tränen aus den Augen zu kullern begannen.
In dem Moment, als aber das Wort „gefressen“ fiel, zischte Darins Scanner, den er die ganze Zeit auf tiefster Frequenz hatte laufen lassen, laut auf.
„Funny!“, rief er. „Ich hab was. Es ist fast nichts. Aber es ist da.“
„Was?“, fragte Funny.
„Als Meta ‚gefressen‘ sagte, war es wie eine emotionale Überladung, das muss die bis dahin unsichtbare Signatur verstärkt haben, dass ich sie messen konnte. Ich versuche einen tiefen Aural-Scan… Ja. Es ist eine Yōkai-Signatur. Oha, die hat es in sich. Zwar Extrem schwach, aber… hungrig, unheimlich hungrig. Ich hab eine Spur.“
Funny blickte auf die dutzenden Steckbriefe der vermissten Kinder aus den anderen Dörfern, die sie mitgebracht hatte.
„Das ist kein normaler Yōkai, Darin. Das ist ein Massenentführer. Und er verschluckt sie.“
„Und er muss riesig sein“, fügte Lily hinzu. „Wir können nicht einfach reinstürmen, wenn er die Kinder… nun ja, in sich hat.“
„Wir brauchen mehr Informationen“, entschied Funny. „Wir müssen wissen, was er ist. Verdammt, für unseren Elfensprung zur Bibliothek meiner Eltern sind wir zu weit weg.“
Darin lächelte und zog einen Runenstein aus ihrer Itembox.
„Ich wusste, dass wir den mal brauchen werden. Der ist leider nur einmal verwendbar und ich hab nur den einen und er muss uns binnen vier Stunden wieder zurück bringen, denn dann zerfällt er. Aber er verlängert unsere Reichweite, in dem er ein Tor öffnet.“
Er aktivierte ihn. Ein Portal aus wirbelndem, blauem Licht öffnete sich. Funny reichte Meta an ihre Mutter zurück.
„Wir sind bald zurück“, versprach Funny der verängstigten Frau. „Meta, sei tapfer. Wir versuchen alles, um Deine Brüder und Schwestern zu retten.“
Sie traten durch das Portal und standen im nächsten Moment in einer Bibliothek, so gewaltig, dass sie den Atem raubte. Es war die Große Bibliothek von Funnys Eltern, dem Fürstenpaar des Elfentals. Bücherregale reichten mehrere Meter in die Höhe.

„Okay, keine Zeit für Sightseeing“, sagte Funny. „Abteilung: Dämonologie, Sektion: Gluttony-Yōkai.“
Sie arbeiteten wie ein Uhrwerk. Funny koordinierte die Suche, Darin nutzte einen magischen Index, um die Bände zu scannen, und Lily… kletterte und flog wie eine Besessene in die höchsten Regale, um die schweren Bücher herunterzuholen.
Trotzdem dauerte es über eine Stunde bevor einer von ihnen fündig wurde.
Lily ließ ein besonders dickes Buch in Richtung Darin segeln. Als es fast auf seinen Kopf krachen wollte, schaffte er es, es trotz der Größe geschickt aufzufangen.
Er blätterte ein wenig.
„Ich hab ihn“, sagte er. „Gula-Dämon. Ein Fressdämon.“
Funny und Lily schauten Darin über die Schulter und lasen mit.
„Er jagt, bis sein Magen voll ist“, las Funny. „Er ist… gigantisch, ja. Aber er kann nicht kämpfen, wenn er voll ist. Er ist zu groß und zu träge.“
„Hier!“, rief Lily und tippte auf eine Zeile. „‚Ist der Dämon gesättigt, fällt er in eine „Fress-Stasis“. Ein Verdauungsschlaf, der Tage, manchmal Wochen andauern kann. Die Opfer in seinem Magen…‘“
„…werden durch eine magische Schleimschicht konserviert und nur extrem langsam verdaut‘“, beendete Darin.
Sie sahen sich an. Hoffnung blitzte in ihren Augen.
„Das ist es“, sagte Funny. „Alle Kinder. Aus allen Dörfern. Und sie könnten noch am Leben sein“
„Er hat sie gesammelt“, murmelte Darin. „Und Metas Geschwister waren die letzten, die er brauchte, um satt zu werden. Er schläft gerade.“
„Okay!“, sagte Lily und spannte ihre Flügel. „Der Plan ist klar: Hinfliegen, den Fettsack aufschlitzen, Kinder rausholen, Dämon kaputt machen. Ab zurück!“
Sie kehrten durch das Portal zurück. Darins Scanner hatte die Yōkai-Signatur nun fest im Griff, da Darin wusste, worauf er das Instrument einstellen musste.
Die Spur führte sie tief in den „Alten Wald“, zu einer Felswand, die mit Dornenranken überwuchert war. Dahinter verbarg sich ein Höhleneingang.
„Okay, Kavallerie, halt!“, zischte Funny, als Lily vorstürmen wollte. „Wir müssen sicher sein, dass er schläft. Darin, dein Spielzeug.“
Darin holte eine mechanische Maus, den „Beobachterring 3000“, aus der Itembox heraus.
„GIB HER!“, knurrte Lily.
Funny und Darin tauschten einen überraschten Blick.
„Du?“
„Ja, ich!“, zischte Lily. „Ich will sehen, welchem Bastard ich gleich meine Klinge zu kosten gebe. Und ich werde verdammt vorsichtig sein.“
Funny und Darin sahen die kalte Wut in ihren Augen und verstanden. Dies war nicht die impulsive Lily. Dies war die Beschützerin. Lily zog den Steuerhandschuh an. Funny und Darin blickten gebannt auf den Kristallring, der nun als Bild zeigte, was die Maus sah. Zur Überraschung aller steuerte Lily die mechanische Maus mit einer Präzision und Ruhe, die sie sonst nie an den Tag legte.
Die Höhle war riesig. Überall lagen Knochen… aber auch Spielzeug und Kleidung. Und in der Mitte lag er. Ein Berg aus schwarzem, pulsierendem Fleisch. Der Gula-Dämon war gigantisch, er füllte fast die gesamte Höhle. Sein Bauch war grotesk vorgewölbt. Und er schnarchte, dass die Stalaktiten zitterten.

„Okay“, flüsterte Lily und zog vorsichtig die Maus zurück. „Er ist im Fresskoma. Zeit für die Operation.“
„Warte! Er ist viel zu groß, um ihn zu bekämpfen“, hielt Darin Lily zurück. „Wenn er aufwacht, während wir da drin sind…“
„Wird er nicht“, sagte Funny. Sie zog ein kleines Fläschchen mit einer schimmernden, violetten Flüssigkeit aus ihrer gemeinsamen Itembox hervor. „Tiefschlaf-Nebel. Nur zur Sicherheit. Ich mache mit meinen Messern die Anästhesie. Darin, du machst den Schnitt.“
„Und ich hole sie raus“, beendete Lily den Satz.
Funny schlich sich an wie ein Schatten, ihre Flügel machten sie lautlos. Sie stach mit ihren mit Tiefschlaf-Nebel getränkten Dolchen dem Dämon in den Nacken. Es war wie sie es vermutet hatte. Sie konnte die lederne Haut des Dämons nur leicht anritzen. Aber das reichte. Der Dämon grunzte im Schlaf, schnarchte aber sofort weiter.
„Jetzt, Darin!“, flüsterte Funny. Darin trat vor, seine Doppelaxt leuchtete vor Energie.
„Okay. Das wird nicht schön. Und es wird stinken.“
Er hob seine riesige Axt, zielte sorgfältig auf den prallen Bauch und führte einen einzigen, kraftvollen, aber unglaublich präzisen Schnitt durch.
Eine Welle übelriechender Luft schlug ihnen entgegen. Ein riesiger Spalt öffnete sich im Bauch des Dämons.
„Heiliger Runenstein“, flüsterte Darin. „Das ist kein Bauch, das ist eine Höhle.“
Lily zögerte keine Sekunde. Sie sprang hinein und landete knietief in einer schleimigen, aber nicht ätzenden Substanz und war sofort von oben bis unten damit besudelt.
„PFUI IST DAS EKELHAFT!“
Sie aktivierte einen Leuchtkristall, den ihr Darin noch zugeworfen hatte.

Der „Bauch“ war so groß wie eine Scheune. Und überall lagen Kinder, Dutzende, eingehüllt in Schleim, aber sie atmeten.
„OKAY, KINDER! AUFWACHEN!“, brüllte Lily. „Die Elfen-Kavallerie ist da! Kommt mit mir, wenn ihr Leben wollt!“
Ein Wimmern kam aus vielen Ecken. Die sechs Kinder von Meta sah Lily als erste.
„Hannes! Greta! Nehmt die Kleinen!“, rief Lily.
Sie rannte tiefer hinein.
„Du da! Aus dem Dorf am Fluss? Steh auf! Du auch! Los, los, los! Die Großen helfen den Kleinen! Wir gehen heim!“
Sie schob, zog und trug die Kleinsten. Draußen zogen Funny und Darin ein Kind nach dem anderen aus dem Spalt. Funny kümmerte sich sofort um die verängstigten, weinenden Kleinsten, während Darin die älteren Kinder organisierte.
„RAUS! RAUS! RAUS! BEWEGUNG! KEINE ZEIT FÜR EKEL!“, war Lilys Stimme von drinnen zu hören, bis sie als Letzte, völlig schleimbedeckt, heraussprang.
„Alle da?“, keuchte sie. „Alle da“, bestätigte Funny nach einem Blick auf die Suchanzeigen. „Dreißig Kinder, das deckt sich mit den Steckbriefen.“
Der Dämon rührte sich immer noch nicht.
„Jetzt“, knurrte Lily. „Füllen wir den Sack.“
„Kinder!“, rief Darin. „Wer sich rächen will, holt Steine! Große Steine!“
Was folgte, war eine Meisterleistung in Logistik. Funny beruhigte die Jüngsten am Höhleneingang, während Darin, Lily und alle Kinder, die laufen und Steine tragen konnten, in Windeseile Wackersteine, Geröll und Felsbrocken in die offene Wunde stopften.
„Er wird schwer sein!“, grinste Lily bösartig.
„Fertig!“, rief Darin.
Funny zog eine magisch verstärkte Nadel und einen dicken Zwirn hervor.
„Das wird nicht schön, aber es hält.“
In Windeseile nähte sie die Wunde grob zu. Der Dämon begann sich zu regen.
„Rückzug! Alle raus! Schnell!“
Sie versteckten sich im Gebüsch. Sechsundsechzig Augen starrten auf den Höhleneingang, aus dem gleich der Dämon kommen musste.
Der Gula-Dämon erwachte mit einem Grollen, das den ganzen Wald erzittern ließ. Er hielt sich den Bauch.
„Urrgh… Was rumpelt und pumpelt… in meinem Bauch herum?“, stöhnte er.
Er stand mühsam auf.
„Durst… furchtbarer Durst…“
Er torkelte schwerfällig, jeden Schritt fluchend, zu einem nahen, tiefen Waldteich, dessen Wasser schwarz und still dalag. Als er am Rande einer Klippe stand, brüllte Funny: „JETZT! ALLE GEMEINSAM!“
Die drei Blumenelfen schossen gleichzeitig aus dem Gebüsch, ihre Flügel gaben ihnen zusätzlichen Schub. Und hinter ihnen stürmte eine Armee von dreißig wütenden, geretteten Kindern. Funny von links, Darin von rechts, und Lily mit einem lauten Kampfschrei direkt von hinten, gefolgt von der Kinderschar.
Mit einer perfekten, synchronisierten Aktion trafen sie den Dämon gleichzeitig am Rücken.
PLATSCH!
Der Dämon, völlig überrascht und unendlich schwer durch die Steine in seinem Bauch, kippte vornüber. Er konnte wegen des Gewichts nicht schwimmen. Er ruderte panisch mit den Armen, stieß gurgelnde Schreie aus – und versank wie ein Stein im tiefen Wasser.

Stille.
Dann brach der Jubel los. Die Kinder schrien, weinten vor Erleichterung und umarmten die drei Elfen.
Lily, tropfnass und schleimbedeckt, wirbelte ihre Naginata herum und klatschte mit Darin ab.
„Teamwork, Baby!“
Darin klopfte sich den Schleim von seiner Brille, den Lily „großzügig“ mit ihm geteilt hatte.
„Das war… effizient.“
Funny lächelte, als sie zwei der kleinsten Kinder im Arm hielt.
„Das war Adiuva et Protege.“
Sie brachten die Kinder zurück zu ihren Familien. Die Wiedersehensfreude in den Dörfern war unbeschreiblich.
Dann kehrten die Drei zur Gilde zurück und wurden auch dort begeistert empfangen. Nahezu jeder Abenteurer fühlte mit den Familien.
Funny holte die beträchtliche Belohnung ab. Zufrieden flogen die Drei zu ihrem Häuschen zurück.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute glücklich in ihrem friedlichen kleinen Häuschen… wenn es denn keine weiteren Bedrohungen mehr gäbe…

































Schreiben Sie einen Kommentar