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Lilys erste Pressekonferenz

Die Chroniken der Wächter – Band 2 – Das Geheimnis der Ödnis

Die Hauptstadt von Feenland, Valyria, war ein pulsierendes Herz aus weißem Marmor, geschäftigem Treiben und dem steten Murmeln von tausenden Stimmen. Für Funny, Lily und Darin, die an die Ruhe des Elfentals und die abgeschiedene Ordnung der Akademie gewöhnt waren, war der Lärm eine Symphonie des Chaos. Kutschenräder ratterten über das Kopfsteinpflaster, Händler priesen lauthals ihre Waren an und aus den Tavernen drang Gelächter und Musik.

Nach einer kurzen, aber zielstrebigen Suche fanden sie ihr Quartier für die nächsten Tage: die Herberge „Zur schnurrenden Katze“. Diese war ein gemütliches, efeubewachsenes Gebäude in einer ruhigen Seitengasse, deren Duft nach frisch gebackenem Brot und gebratenen Kräutern schon von weitem lockte. Als sie eintraten, kam ihnen eine junge Frau mit flinken Bewegungen, samtigen Katzenohren und einem buschigen Schwanz entgegen, der fröhlich hin und her zuckte.

„Seid gegrüßt, Reisende“, miaute sie beinahe, ihre grünen Augen musterten die drei neugierig. „Ich bin Lydia. Sucht ihr ein Zimmer?“

Darin trat vor, ein seltenes, schüchternes Lächeln auf den Lippen.

„Hallo Lydia. Meine Mutter, Rawenna, hat mir von dir erzählt. Sie meinte, du hättest die beste Küche in ganz Valyria.“

Lydias Augen weiteten sich und ihre Ohren stellten sich kerzengerade auf.

„Du bist Darin? Rawennas Sohn? Bei den neun Leben meiner Ahnin! Es ist mir eine Ehre!“

Sie klatschte aufgeregt in die Hände.

„Und dann… dann seid ihr…“ Ihr Blick wanderte zu Funny und Lily, und ein Leuchten der Erkenntnis trat in ihre Augen. „Adiuva et Protege!“

Funny kicherte.

„So nennt man uns wohl. Wir hätten gerne ein Zimmer. Ein großes, für uns drei.“

Lydia nickte eifrig.

„Aber natürlich! Ihr seid es gewohnt, als Team zu agieren, nicht wahr? Das beste Zimmer im Haus, mit Blick auf den Garten. Und das Essen geht selbstverständlich aufs Haus! Rawennas Sohn und die Helden von Blumental unter meinem Dach, das ist die beste Werbung, die ich mir wünschen kann!“

Sie führte die drei in ein geräumiges Zimmer mit drei gemütlichen Betten, einem robusten Holztisch und einem kleinen Balkon. Es roch nach frischer Wäsche und gewachstem Holz. Während Funny und Darin ihre bescheidenen Habseligkeiten auspackten, inspizierte Lily den Raum mit kritischem Blick, schnüffelte theatralisch in der Luft und verkündete dann feierlich: „Die Matratze ist weich, die Luft ist rein und der Weg zur Küche ist kurz. Ich genehmige dieses Quartier.“

Funny lächelte: „Na, da haben wir ja Glück gehabt. Lily ist zufrieden.“

Darin kicherte.

Der erste Morgen begann, wie die meisten Morgen mit Lily begannen: mit einem tiefen, unzufriedenen Brummen, das aus den Tiefen ihres Kissens drang. Erst der verlockende Duft von frisch gebrühtem Kaffee, den Funny ihr unter die Nase hielt, vermochte sie aus dem Reich der Träume zu locken. Sie setzte sich auf, die Haare ein wildes Nest, schnappte sich die Tasse und umklammerte sie wie einen Rettungsanker.

Als sie etwas später am Frühstückstisch saßen und Lydias berühmte Mondbeeren-Pfannkuchen genossen, stürmte die Herbergsmutter herein, die Wangen gerötet vor Aufregung. Sie wedelte mit einem großen, mit dem Siegel der Abenteurergilde versehenen Brief.

„Für euch! Gerade per Eilbote gekommen!“

Funny nahm den Brief entgegen, brach das Siegel und überflog den Inhalt. Ihre Augenbrauen hoben sich.

„Oh“, machte sie nur.

„‚Oh‘ was?“, murmelte Lily in ihre Tasse.

„Lily, die Gilde fragt an, ob wir eine Pressekonferenz geben wollen.“

Der Schluck Kaffee, den Lily gerade genommen hatte, fand den falschen Weg. Sie verschluckte sich, prustete und hustete, während Darin ihr besorgt auf den Rücken klopfte. Als sie wieder Luft bekam, starrte sie Funny mit großen Augen an.

„Pressekonferenz? Ich? Vor Leuten? Was soll ich denn da sagen?“

Ihre übliche Schlagfertigkeit war im Angesicht ihres morgendlichen Grauens und dieser Schreckensnachricht komplett verflogen.

Darin schob ihr beruhigend ein Glas Wasser hin.

„Antworte einfach so sachlich wie möglich auf die Fragen der anwesenden Presse. Du musst kein Spektakel veranstalten.“

Funny nickte zustimmend.

„Genau. Sei einfach du selbst. Wir sind ja auch da. Und Fennja wird das bestimmt leiten. Und Renni hat ja auch schon angekündigt, keine deiner Pressekonferenzen verpassen zu wollen.“

„Es wird nicht schlimm“, fügte Darin mit seiner leisen, aber festen Stimme hinzu. „Die Gilde führt durch solche Termine. Ich denke, Fennja wird das schon wuppen, dass hier nichts schief geht. Und wie Funny sagte: wir sind auch noch da.“

Lilys Hand zitterte leicht, als sie ihre Tasse ansetzte. Sie leerte sie in einem langen Zug, goss sich sofort nach und kippte auch diesen Kaffee hinunter. Ein tiefes Seufzen entwich ihr, gefolgt von einem Lächeln, das langsam ihre Züge erhellte. Die Lebensgeister kehrten zurück.

„OK, jetzt bin ich wach“, verkündete sie.

Lydia, die das Schauspiel mit angehaltenem Atem verfolgt hatte, fragte schüchtern: „Soll ich Eure Antwort der Gilde bringen?“

Funny lächelte sie an.

„Ja bitte, Lydia. Sag ihnen, wir werden da sein!“

„Wann soll das Ganze stattfinden?“, fragte Darin, während er sich einen weiteren Pfannkuchen nahm.

Funny blickte erneut in den Brief.

„Morgen Vormittag. Von 10 bis 11 Uhr ist sie geplant.“

„Gut“, sagte Darin und sah Lily an. „Wollen wir für heute ganz locker einmal unsere Prüfungsunterlagen durchgehen? Quasi wie ein lockeres Training? Das bringt dich vielleicht auf andere Gedanken.“

Lily nickte erleichtert.

„Ja, das ist eine gute Idee. Das lenkt mich gut von morgen ab. Ich hab keine Ahnung, wie ich mich auf sowas wie eine Pressekonferenz vorbereiten soll.“

Funny lachte leise.

„Gar nicht. Auf sowas kann man sich nicht vorbereiten, weil wir nicht wissen, was gefragt wird. Manchmal fragen sie konkret zu Missionen, manchmal geht es auch mehr ins Persönliche. Ich denke, weil sie uns kaum kennen, werden wir viele private Dinge gefragt werden.“

Sie zwinkerte Lily zu.

„Ich sag es noch einmal: Sei einfach du selbst.“

Ein breites Grinsen huschte über Lilys Gesicht.

„Puh, gut dass ihr auch da seid! So, dann lasst uns mal schauen, was wir heute wiederholen.“

Der Tag verging wie im Flug, gefüllt mit dem Wiederholen von Zauberformeln, dem Diskutieren von Kampfstrategien und einem entspannten Dauerlauf durch den nahegelegenen Stadtpark, wo sie mehr als einmal von Passanten erkannt und angestarrt wurden. Das extra köstliche Abendessen, das Lydia für sie zauberte, war der perfekte Abschluss eines produktiven Tages.


Der nächste Morgen brach an, und erstaunlicherweise war Lily bereits wach, als Funny die Augen aufschlug. Sie saß kerzengerade im Bett und starrte die Wand an. Funny konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.

„Was Nervosität so alles vermag.“

„Ich bin doch nicht nervös“, behauptete Lily mit fester Stimme, griff nach einem Brötchen vom Frühstückstablett, das Lydia ihnen schon gebracht hatte, und war kurz davor, es in ihre Kaffeetasse zu tunken, während sie an der Kaffeekanne abbeißen wollte. Sie hielt inne, blickte auf ihre Hände und dann zu Funny. Alle drei brachen in schallendes Gelächter aus.

Darin tätschelte ihr den Arm.

„Lily, sieh es so: Du mit deiner charmant schnoddrigen Art wirst die Herzen im Sturm erobern. Ich selbst weiß nicht, ob ich überhaupt den Mund aufbekäme.“

Funny und Lily sahen sich an und kicherten erneut. Ja, Darin war die personifizierte Schüchternheit. Ein technisches Genie, ein Berserker im Kampf, aber vor einer Gruppe Fremder wurde er stumm wie ein Stein.

Eine halbe Stunde vor dem Termin standen sie vor dem ehrwürdigen Gildenhaus, einem imposanten Bau aus Stein und dunklem Holz. Die hohen Türen waren mit den Wappen der berühmtesten Abenteurergruppen verziert. Funny atmete tief durch.

„Jetzt gilt es.“

Sie legte die Hand auf den schweren Eisenring und zog. Von Diskretion hatte diese Tür offensichtlich noch nie etwas gehört. Sie knarzte ohrenbetäubend, ächzte wie ein sterbendes Tier und als die drei eingetreten waren, fiel sie mit einem lauten, markerschütternden Krachen ins Schloss. In der großen Eingangshalle, in der Dutzende Abenteurer auf Aufträge warteten oder sich an den Schaltern drängten, erstarrte jede Bewegung. Alle Köpfe drehten sich wie auf Kommando zu den drei Neuankömmlingen.

„Funny, Lily, Darin!“ rief eine laute, fröhliche Stimme von einem der Schalter.

Es war Renni, ihre persönliche Gildenmitarbeiterin. Es war bei der Gilde üblich, dass diejenige, die eine Gruppe eingetragen hatte, der ewige Ansprechpartner sein würde. Sie winkte energisch.

„Geradeaus, eine Etage hoch.“

Ihr Ruf war das Startsignal. Ein Tuscheln ging durch die Menge.

„Funny? Lily? Darin? Das sind doch…“ – „ADIUVA ET PROTEGE!“

Der erste zögerliche Applaus brandete auf, schwoll an zu einem begeisterten Klatschen, das von den hohen Decken widerhallte. Die Menge teilte sich wie das Meer vor einem Propheten und bildete eine Gasse für sie. Sichtlich überrumpelt von dieser unerwarteten Reaktion, eilten die drei die breite Steintreppe nach oben.

Am oberen Treppenabsatz wartete bereits Fennja, die elegante und stets perfekt gekleidete Gildenmeisterin. Sie lächelte die drei warm an.

„Da seid ihr ja. Kommt, der Saal ist schon vorbereitet.“

Sie führte sie in einen riesigen, holzgetäfelten Saal. Hunderte von Stühlen standen in Reih und Glied, ausgerichtet auf ein Podium mit fünf Plätzen.

„Hier?“, fragte Funny ehrfürchtig. „Das hier ist der große Saal, hier passen über tausend Personen hinein. Rechnest du mit so einem Andrang?“

Fennja lachte.

„Schnuckelchen“, sagte sie und tätschelte Funnys Wange. Funny zuckte bei dem Kosenwort zusammen, während Lily leise kicherte. „Ihr dominiert seit eurem Albus-Abenteuer die Klatschspalten und die Heldengeschichten. Ihr seid das Tagesgespräch in jeder Taverne von hier bis zum Schwarzen Wald. Wir haben uns, seit gestern klar war, dass ihr kommt, vor Anfragen von Reportern nicht mehr retten können. Und das an nur einem einzigen Tag!“

Lily schluckte.

„Wie wird das ablaufen?“

Auch Funny und Darin blickten Fennja fragend an.

„Ganz einfach“, erklärte sie und deutete auf das Podium. „Ihr sitzt in der Mitte. Ich sitze rechts von euch und eröffne die Konferenz. Ganz links wird Renni sitzen, sie protokolliert alles für die Gilde. Ihr wartet jetzt hinten in einem kleinen Raum, Renni wird bei euch sein. Sie kennt das Stichwort, dann kommt ihr herein und nehmt Platz.“

Sie stoppte kurz und setzte dann fort: „Ich werde die Konferenz moderieren, das heißt, ich rufe die Reporter auf. Aber seid gewarnt: Es kann auch aus dem Ruder laufen. Sie werden durcheinander rufen. Manchmal sind sie nur schwer im Zaum zu halten. Lasst Euch nicht aus der Ruhe bringen. Und denkt daran: Alles, was ihr sagt, kann morgen so – oder so, wie es verstanden wird – in der Zeitung stehen.“

Lily schluckte hörbar. Sie war sichtlich blasser geworden. Funny jedoch grinste breit und schlug mit der Faust in ihre Handfläche.

„Ach was! Lasst uns die Pressefutzis mal so was von rocken!“

Fennja verschluckte sich bei dieser Wortwahl und prustete laut vor Lachen. Selbst Darin musste grinsen und Lilys Anspannung wich einem amüsierten Kichern. Deutlich entspannter folgten sie Fennja in den kleinen, gemütlich eingerichteten Warteraum.

Kurz darauf gesellte sich Renni zu ihnen.

„Eine Viertelstunde noch“, sagte sie und reichte ihnen eine Kanne mit Wasser. „Atmet tief durch. Ihr schafft das.“

Während die drei in den weichen Sesseln versuchten, ihre Nerven zu beruhigen, beobachtete Renni durch einen Spalt in der Tür, wie sich der große Saal mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit füllte. Jeder einzelne Platz war besetzt, an den Wänden lehnten weitere Gestalten und hinten drängte sich eine neugierige Menge.

Punkt 10 Uhr ertönte ein sanfter Gong. Fennja betrat das Podium. Sie wartete einen Moment, bis das Stimmengewirr im Saal zu einem erwartungsvollen Schweigen wurde.

„Sehr geehrte Damen und Herren der Presse, liebe Interessierte, Händler und Abenteurer. Ich habe heute die große Ehre, die erste Pressekonferenz der Helden von Blumental, der Abenteurergruppe ‚Adiuva et Protege‘, zu moderieren. Bitte begrüßen Sie gemeinsam mit mir: Funny, Lily und Darin!“

Fennja drehte sich zur Seite und blickte zur Tür, hinter der Renni alles beobachtet hatte. Im Saal brandete lauter, donnernder Applaus auf. Renni drehte sich zu den Dreien um und nickte ihnen aufmunternd zu.

„Das ist das Zeichen. Geht ganz ruhig zu euren Plätzen.“

Funny stand als Erste auf, straffte ihre Schultern und atmete noch einmal tief durch. Darin folgte ihr, den Blick auf den Boden gerichtet. Als sich ihre Freunde in Bewegung setzten, sprang auch Lily, etwas hektischer als beabsichtigt, auf und trottete hinterher.

Als die drei den Saal betraten und zum Podium schritten, passierte etwas Seltsames. Der Applaus erstarb. Das Klatschen verebbte, bis eine fast unheimliche Stille herrschte. Adiuva et Protege war seit Wochen in aller Munde, ihre Taten wurden als legendär eingestuft. Aber niemand wusste genau, wer sich wirklich hinter dem lateinischen Namen verbarg. Die allgemeine Vorstellung war die von gestählten Veteranen, vielleicht mächtigen Magiern oder riesenhaften Kriegern. Entsprechend fassungslos war der Saal, als drei junge, fast zierlich wirkende Blumenelfen ihre Plätze einnahmen.

In der ersten Reihe saß eine schrumpelige, zerknautschte Gestalt, halb Zwerg, halb Ork – ein Zwork –, der sich als Erster aus der allgemeinen Starre löste und lospolterte, seine Stimme ein rasselndes Grollen: „Wollt ihr uns für dumm verkaufen? Diese Kinder! Blumenelfen!“, er spuckte das Wort regelrecht aus, als wäre es Gift. „Das sind doch nie und nimmer die Helden von Blumental! Die kenn ich nicht. Was soll der Quatsch?“

Pressekonferenz

Lily, deren anfängliche Nervosität schlagartig von aufkeimendem Ärger verdrängt wurde, murmelte leise, aber für die vorderen Reihen deutlich hörbar vor sich hin: „Ich kenn dich Zwork auch nicht und dein Käseblatt erst recht nicht. Bin ich deshalb gleich unhöflich?“

Renni, die hinter ihrem Pult saß, prustete hinter vorgehaltener Hand los. Die Reporter in der ersten Reihe, die Lilys Kommentar ebenfalls gehört hatten, gaben ihn kichernd an ihre Nachbarn weiter. Wie eine Welle verbreitete sich die Information, und der Saal brach in tosendes Gelächter aus.

Der Zwork, den Lily so treffend tituliert hatte, lief puterrot an und wollte zu einer wütenden Erwiderung ansetzen, doch Fennja schnitt ihm mit eisiger Autorität das Wort ab.

„Wir halten uns bitte an die Gepflogenheiten einer zivilisierten Pressekonferenz. Sie melden sich, und erst nach Erteilung des Wortes darf jeder seine Frage stellen.“

Zustimmendes Gemurmel ging durch den Saal. Der Zwork setzte sich widerwillig.

Fennja zeigte auf eine elegant gekleidete Elfen-Reporterin vom renommierten „Feenwald Kurier“. Diese erhob sich.

„Wir sind alle… überrascht. Da stimme ich meinem Kollegen vom „Schwarzwald Anzeiger“ zu“, sagte sie mit einem verächtlichen Seitenblick auf den Zwork. „Könntet Ihr Euch uns vielleicht kurz vorstellen?“

Lily lehnte sich zum Mikrofon.

Sie zeigte nacheinander auf ihre Freunde und dann auf sich. „Das ist leicht: Funny, Darin und ich bin Lily. Zusammen sind wir Adiuva et Protege.“

Sie lehnte sich zurück und faltete die Hände. Ende der Durchsage.

Der Saal verstummte erneut. Alle hatten offensichtlich eine Heldengeschichte, eine Aufzählung ihrer Ränge oder ihrer Herkunft erwartet. Rennis unterdrücktes Kichern war in der Stille deutlich zu hören.

Die Reporterin, sichtlich irritiert, setzte nach: „Und…?“ Lily zog eine Augenbraue hoch. „Und keiner weiter. Wir drei reichen. Was wollen Sie hören? Dass wir Blumenelfen sind, hat der Zwork doch schon gebrüllt.“

Wieder lachte der Saal, diesmal noch lauter.

Fennja rief den nächsten Reporter auf, einen stämmigen Menschen vom „Hauptstadt-Journal“.

„Wie genau habt ihr den Albus besiegt? Alle vorliegenden Berichte sind hier sehr vage.“

Lily zuckte mit den Schultern.

„War kein großes Ding. Funny und Darin haben die Bibliothek im Elfental aufgesucht, ein paar staubige Bücher gewälzt, eine Art Anleitung zur Vernichtung eines Albus erstellt, sind zurückgekommen, und dann haben wir ihn plattgemacht.“

Ungläubiges Staunen im Publikum. So einfach? Ein Albus, ein Dämon, der ganze Landstriche entvölkern konnte?

Lily fuhr fort, als würde sie ein Kuchenrezept erklären: „Ein Albus ist immer hungrig, er saugt Lebensenergie. Wir mussten also nur einen Weg finden, ihn festzuhalten und ihm unsererseits die Energie abzuzapfen. Wir Blumenelfen haben einen hübschen kleinen Zauber, den Regenbogenzauber, der entzieht dem Ziel Energie. Normalerweise wird er nur zur Unkrautbekämpfung eingesetzt“, der Saal gluckste amüsiert, „aber historisch wurde dieser Zauber tatsächlich zur Albus-Bekämpfung entwickelt. Je länger der Zauber auf einen Albus wirkt, umso schneller wird ihm die Energie entzogen. Die Energie haben wir in speziellen Kristallen gespeichert, mit denen wir später dann die Opfer wiederbeleben konnten.“

Noch ungläubigeres Staunen. Dieses Wissen galt als seit Jahrhunderten verloren. Der Reporter hakte sofort nach: „Aber wie habt ihr den Albus festgehalten? Nach allem, was wir wissen, ist das ein körperloser Dämon!“

Lily deutete mit dem Daumen auf Darin.

„Darin ist unser Technik-Guru. Er hat ein technisches Gerät entworfen und gebaut, mit dem wir den Albus festhalten konnten. Eine Art Energiekäfig. Für Darin ist das ein Klacks, er macht sowas in der Zeit zwischen dem Aufstehen und der ersten Kanne Kaffee.“

Darin wurde bei dieser öffentlichen Lobpreisung leicht rot und zog den Kopf zwischen die Schultern, was ihn nur noch sympathischer machte.

Fennja rief den nächsten auf. Mittlerweile reckten sich Dutzende Hände in die Höhe.

„Was sind Eure nächsten Ziele als Gruppe?“

Lily antwortete ohne zu zögern: „Die Prüfung zur Aufnahme ins zweite Akademie-Jahr bestehen!“

Das war so unerwartet, so bodenständig, dass der Saal erneut in Gelächter ausbrach.

Da konnte sich der Zwork nicht mehr halten. Er sprang auf und brüllte dazwischen, das Gesicht zu einer wütenden Fratze verzogen: „Ihr seid im ersten Jahr? Wie können solche Babies wie ihr solche Taten ausführen? Das ist doch alles erstunken und erlogen!“

In diesem Moment passierten drei Dinge gleichzeitig und in perfekter, wortloser Synchronisation. Funny schnippte mit den Fingern. Eine Kugel aus reinem, pulsierendem Licht erschien vor dem Gesicht des Zworks. Sie wirbelte und tanzte in hypnotisierenden Mustern. Gebannt starrte er hinein. Er bemerkte nicht, wie unter ihm der Boden erbebte und dicke, undurchdringliche Dornenranken aus den Fugen des Steinbodens schossen und sich in Sekundenschnelle zu einer dichten Hecke um ihn schlossen. Im Saal war es schlagartig totenstill geworden.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, stand Darin neben dem eingesperrten Zwork. Wo er eben noch auf dem Podium gesessen hatte, war nur noch leere Luft. Der Zwork spürte nun, wie etwas Eiskaltes und Rasiermesserscharfes an seinem Hals kitzelte. Es war die Klinge von Darins gewaltiger Doppelaxt.

Fennja auf dem Podium presste die Lippen zusammen, um ein breites Lächeln zu unterdrücken.

So schnell wie sie erschienen waren, verschwanden die Zauber wieder. Funnys Lichtkugel verpuffte, Lilys Dornenhecke zog sich knisternd in den Boden zurück, und Darin ließ seine Axt mit einer beiläufigen Bewegung in seiner Itembox verschwinden und stand einen Augenblick später wieder auf seinem Platz, als wäre er nie weggewesen.

Eine Sekunde atemloser Stille. Dann explodierte der Saal in einem Orkan aus Beifall und begeisterten Rufen. Das war keine Angeberei gewesen. Das war eine Demonstration von perfektem Teamwork, Geschwindigkeit und tödlicher Effizienz. Der Zwork, blass und zitternd, stampfte wütend und zutiefst gedemütigt auf und schlich unter dem spöttischen Gelächter der Anwesenden aus dem Saal.

Die Pressekonferenz ging weiter. Die Reporter fragten, und Lily antwortete, schlagfertig, direkt und ungeschönt. Sie war in ihrem Element, befeuert vom Adrenalin und der Unterstützung ihrer Freunde.

Pressekonferenz

Dann ertönte erneut der sanfte Gong. Fennja erhob sich.

„Vielen Dank für Ihr Kommen. Damit ist die heutige Pressekonferenz beendet.“

Ein Blitzlichtgewitter brach los, als jeder anwesende Fotograf versuchte, noch mindestens ein Bild der drei Freunde zu ergattern. Renni bahnte ihnen schnell einen Weg durch die Menge und führte sie zurück in den kleinen Raum.

Als sie die Tür schloss, fiel sie Lily um den Hals.

„Wahnsinn! Einfach Wahnsinn, wie du mit dieser Meute umgesprungen bist! Das war ganz großes Kino!“

Die Anspannung fiel von Lily ab. Sie sank in einen Sessel, als wären ihre Knochen aus Gummi.

„Puh… bin ich geschafft.“

Sie blickte auf.

„Ich brauch jetzt erst einmal einen Kaffee! Einen sehr, sehr großen Kaffee!“

Alle lachten. Die erste große Hürde in der Hauptstadt war genommen. Nun wartete die Prüfung.

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Lilys erste Pressekonferenz

Die Chroniken der Wächter – Band 2 – Das Geheimnis der Ödnis

Die Hauptstadt von Feenland, Valyria, war ein pulsierendes Herz aus weißem Marmor, geschäftigem Treiben und dem steten Murmeln von tausenden Stimmen. Für Funny, Lily und Darin, die an die Ruhe des Elfentals und die abgeschiedene Ordnung der Akademie gewöhnt waren, war der Lärm eine Symphonie des Chaos. Kutschenräder ratterten über das Kopfsteinpflaster, Händler priesen lauthals ihre Waren an und aus den Tavernen drang Gelächter und Musik.

Nach einer kurzen, aber zielstrebigen Suche fanden sie ihr Quartier für die nächsten Tage: die Herberge „Zur schnurrenden Katze“. Diese war ein gemütliches, efeubewachsenes Gebäude in einer ruhigen Seitengasse, deren Duft nach frisch gebackenem Brot und gebratenen Kräutern schon von weitem lockte. Als sie eintraten, kam ihnen eine junge Frau mit flinken Bewegungen, samtigen Katzenohren und einem buschigen Schwanz entgegen, der fröhlich hin und her zuckte.

„Seid gegrüßt, Reisende“, miaute sie beinahe, ihre grünen Augen musterten die drei neugierig. „Ich bin Lydia. Sucht ihr ein Zimmer?“

Darin trat vor, ein seltenes, schüchternes Lächeln auf den Lippen.

„Hallo Lydia. Meine Mutter, Rawenna, hat mir von dir erzählt. Sie meinte, du hättest die beste Küche in ganz Valyria.“

Lydias Augen weiteten sich und ihre Ohren stellten sich kerzengerade auf.

„Du bist Darin? Rawennas Sohn? Bei den neun Leben meiner Ahnin! Es ist mir eine Ehre!“

Sie klatschte aufgeregt in die Hände.

„Und dann… dann seid ihr…“ Ihr Blick wanderte zu Funny und Lily, und ein Leuchten der Erkenntnis trat in ihre Augen. „Adiuva et Protege!“

Funny kicherte.

„So nennt man uns wohl. Wir hätten gerne ein Zimmer. Ein großes, für uns drei.“

Lydia nickte eifrig.

„Aber natürlich! Ihr seid es gewohnt, als Team zu agieren, nicht wahr? Das beste Zimmer im Haus, mit Blick auf den Garten. Und das Essen geht selbstverständlich aufs Haus! Rawennas Sohn und die Helden von Blumental unter meinem Dach, das ist die beste Werbung, die ich mir wünschen kann!“

Sie führte die drei in ein geräumiges Zimmer mit drei gemütlichen Betten, einem robusten Holztisch und einem kleinen Balkon. Es roch nach frischer Wäsche und gewachstem Holz. Während Funny und Darin ihre bescheidenen Habseligkeiten auspackten, inspizierte Lily den Raum mit kritischem Blick, schnüffelte theatralisch in der Luft und verkündete dann feierlich: „Die Matratze ist weich, die Luft ist rein und der Weg zur Küche ist kurz. Ich genehmige dieses Quartier.“

Funny lächelte: „Na, da haben wir ja Glück gehabt. Lily ist zufrieden.“

Darin kicherte.

Der erste Morgen begann, wie die meisten Morgen mit Lily begannen: mit einem tiefen, unzufriedenen Brummen, das aus den Tiefen ihres Kissens drang. Erst der verlockende Duft von frisch gebrühtem Kaffee, den Funny ihr unter die Nase hielt, vermochte sie aus dem Reich der Träume zu locken. Sie setzte sich auf, die Haare ein wildes Nest, schnappte sich die Tasse und umklammerte sie wie einen Rettungsanker.

Als sie etwas später am Frühstückstisch saßen und Lydias berühmte Mondbeeren-Pfannkuchen genossen, stürmte die Herbergsmutter herein, die Wangen gerötet vor Aufregung. Sie wedelte mit einem großen, mit dem Siegel der Abenteurergilde versehenen Brief.

„Für euch! Gerade per Eilbote gekommen!“

Funny nahm den Brief entgegen, brach das Siegel und überflog den Inhalt. Ihre Augenbrauen hoben sich.

„Oh“, machte sie nur.

„‚Oh‘ was?“, murmelte Lily in ihre Tasse.

„Lily, die Gilde fragt an, ob wir eine Pressekonferenz geben wollen.“

Der Schluck Kaffee, den Lily gerade genommen hatte, fand den falschen Weg. Sie verschluckte sich, prustete und hustete, während Darin ihr besorgt auf den Rücken klopfte. Als sie wieder Luft bekam, starrte sie Funny mit großen Augen an.

„Pressekonferenz? Ich? Vor Leuten? Was soll ich denn da sagen?“

Ihre übliche Schlagfertigkeit war im Angesicht ihres morgendlichen Grauens und dieser Schreckensnachricht komplett verflogen.

Darin schob ihr beruhigend ein Glas Wasser hin.

„Antworte einfach so sachlich wie möglich auf die Fragen der anwesenden Presse. Du musst kein Spektakel veranstalten.“

Funny nickte zustimmend.

„Genau. Sei einfach du selbst. Wir sind ja auch da. Und Fennja wird das bestimmt leiten. Und Renni hat ja auch schon angekündigt, keine deiner Pressekonferenzen verpassen zu wollen.“

„Es wird nicht schlimm“, fügte Darin mit seiner leisen, aber festen Stimme hinzu. „Die Gilde führt durch solche Termine. Ich denke, Fennja wird das schon wuppen, dass hier nichts schief geht. Und wie Funny sagte: wir sind auch noch da.“

Lilys Hand zitterte leicht, als sie ihre Tasse ansetzte. Sie leerte sie in einem langen Zug, goss sich sofort nach und kippte auch diesen Kaffee hinunter. Ein tiefes Seufzen entwich ihr, gefolgt von einem Lächeln, das langsam ihre Züge erhellte. Die Lebensgeister kehrten zurück.

„OK, jetzt bin ich wach“, verkündete sie.

Lydia, die das Schauspiel mit angehaltenem Atem verfolgt hatte, fragte schüchtern: „Soll ich Eure Antwort der Gilde bringen?“

Funny lächelte sie an.

„Ja bitte, Lydia. Sag ihnen, wir werden da sein!“

„Wann soll das Ganze stattfinden?“, fragte Darin, während er sich einen weiteren Pfannkuchen nahm.

Funny blickte erneut in den Brief.

„Morgen Vormittag. Von 10 bis 11 Uhr ist sie geplant.“

„Gut“, sagte Darin und sah Lily an. „Wollen wir für heute ganz locker einmal unsere Prüfungsunterlagen durchgehen? Quasi wie ein lockeres Training? Das bringt dich vielleicht auf andere Gedanken.“

Lily nickte erleichtert.

„Ja, das ist eine gute Idee. Das lenkt mich gut von morgen ab. Ich hab keine Ahnung, wie ich mich auf sowas wie eine Pressekonferenz vorbereiten soll.“

Funny lachte leise.

„Gar nicht. Auf sowas kann man sich nicht vorbereiten, weil wir nicht wissen, was gefragt wird. Manchmal fragen sie konkret zu Missionen, manchmal geht es auch mehr ins Persönliche. Ich denke, weil sie uns kaum kennen, werden wir viele private Dinge gefragt werden.“

Sie zwinkerte Lily zu.

„Ich sag es noch einmal: Sei einfach du selbst.“

Ein breites Grinsen huschte über Lilys Gesicht.

„Puh, gut dass ihr auch da seid! So, dann lasst uns mal schauen, was wir heute wiederholen.“

Der Tag verging wie im Flug, gefüllt mit dem Wiederholen von Zauberformeln, dem Diskutieren von Kampfstrategien und einem entspannten Dauerlauf durch den nahegelegenen Stadtpark, wo sie mehr als einmal von Passanten erkannt und angestarrt wurden. Das extra köstliche Abendessen, das Lydia für sie zauberte, war der perfekte Abschluss eines produktiven Tages.


Der nächste Morgen brach an, und erstaunlicherweise war Lily bereits wach, als Funny die Augen aufschlug. Sie saß kerzengerade im Bett und starrte die Wand an. Funny konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.

„Was Nervosität so alles vermag.“

„Ich bin doch nicht nervös“, behauptete Lily mit fester Stimme, griff nach einem Brötchen vom Frühstückstablett, das Lydia ihnen schon gebracht hatte, und war kurz davor, es in ihre Kaffeetasse zu tunken, während sie an der Kaffeekanne abbeißen wollte. Sie hielt inne, blickte auf ihre Hände und dann zu Funny. Alle drei brachen in schallendes Gelächter aus.

Darin tätschelte ihr den Arm.

„Lily, sieh es so: Du mit deiner charmant schnoddrigen Art wirst die Herzen im Sturm erobern. Ich selbst weiß nicht, ob ich überhaupt den Mund aufbekäme.“

Funny und Lily sahen sich an und kicherten erneut. Ja, Darin war die personifizierte Schüchternheit. Ein technisches Genie, ein Berserker im Kampf, aber vor einer Gruppe Fremder wurde er stumm wie ein Stein.

Eine halbe Stunde vor dem Termin standen sie vor dem ehrwürdigen Gildenhaus, einem imposanten Bau aus Stein und dunklem Holz. Die hohen Türen waren mit den Wappen der berühmtesten Abenteurergruppen verziert. Funny atmete tief durch.

„Jetzt gilt es.“

Sie legte die Hand auf den schweren Eisenring und zog. Von Diskretion hatte diese Tür offensichtlich noch nie etwas gehört. Sie knarzte ohrenbetäubend, ächzte wie ein sterbendes Tier und als die drei eingetreten waren, fiel sie mit einem lauten, markerschütternden Krachen ins Schloss. In der großen Eingangshalle, in der Dutzende Abenteurer auf Aufträge warteten oder sich an den Schaltern drängten, erstarrte jede Bewegung. Alle Köpfe drehten sich wie auf Kommando zu den drei Neuankömmlingen.

„Funny, Lily, Darin!“ rief eine laute, fröhliche Stimme von einem der Schalter.

Es war Renni, ihre persönliche Gildenmitarbeiterin. Es war bei der Gilde üblich, dass diejenige, die eine Gruppe eingetragen hatte, der ewige Ansprechpartner sein würde. Sie winkte energisch.

„Geradeaus, eine Etage hoch.“

Ihr Ruf war das Startsignal. Ein Tuscheln ging durch die Menge.

„Funny? Lily? Darin? Das sind doch…“ – „ADIUVA ET PROTEGE!“

Der erste zögerliche Applaus brandete auf, schwoll an zu einem begeisterten Klatschen, das von den hohen Decken widerhallte. Die Menge teilte sich wie das Meer vor einem Propheten und bildete eine Gasse für sie. Sichtlich überrumpelt von dieser unerwarteten Reaktion, eilten die drei die breite Steintreppe nach oben.

Am oberen Treppenabsatz wartete bereits Fennja, die elegante und stets perfekt gekleidete Gildenmeisterin. Sie lächelte die drei warm an.

„Da seid ihr ja. Kommt, der Saal ist schon vorbereitet.“

Sie führte sie in einen riesigen, holzgetäfelten Saal. Hunderte von Stühlen standen in Reih und Glied, ausgerichtet auf ein Podium mit fünf Plätzen.

„Hier?“, fragte Funny ehrfürchtig. „Das hier ist der große Saal, hier passen über tausend Personen hinein. Rechnest du mit so einem Andrang?“

Fennja lachte.

„Schnuckelchen“, sagte sie und tätschelte Funnys Wange. Funny zuckte bei dem Kosenwort zusammen, während Lily leise kicherte. „Ihr dominiert seit eurem Albus-Abenteuer die Klatschspalten und die Heldengeschichten. Ihr seid das Tagesgespräch in jeder Taverne von hier bis zum Schwarzen Wald. Wir haben uns, seit gestern klar war, dass ihr kommt, vor Anfragen von Reportern nicht mehr retten können. Und das an nur einem einzigen Tag!“

Lily schluckte.

„Wie wird das ablaufen?“

Auch Funny und Darin blickten Fennja fragend an.

„Ganz einfach“, erklärte sie und deutete auf das Podium. „Ihr sitzt in der Mitte. Ich sitze rechts von euch und eröffne die Konferenz. Ganz links wird Renni sitzen, sie protokolliert alles für die Gilde. Ihr wartet jetzt hinten in einem kleinen Raum, Renni wird bei euch sein. Sie kennt das Stichwort, dann kommt ihr herein und nehmt Platz.“

Sie stoppte kurz und setzte dann fort: „Ich werde die Konferenz moderieren, das heißt, ich rufe die Reporter auf. Aber seid gewarnt: Es kann auch aus dem Ruder laufen. Sie werden durcheinander rufen. Manchmal sind sie nur schwer im Zaum zu halten. Lasst Euch nicht aus der Ruhe bringen. Und denkt daran: Alles, was ihr sagt, kann morgen so – oder so, wie es verstanden wird – in der Zeitung stehen.“

Lily schluckte hörbar. Sie war sichtlich blasser geworden. Funny jedoch grinste breit und schlug mit der Faust in ihre Handfläche.

„Ach was! Lasst uns die Pressefutzis mal so was von rocken!“

Fennja verschluckte sich bei dieser Wortwahl und prustete laut vor Lachen. Selbst Darin musste grinsen und Lilys Anspannung wich einem amüsierten Kichern. Deutlich entspannter folgten sie Fennja in den kleinen, gemütlich eingerichteten Warteraum.

Kurz darauf gesellte sich Renni zu ihnen.

„Eine Viertelstunde noch“, sagte sie und reichte ihnen eine Kanne mit Wasser. „Atmet tief durch. Ihr schafft das.“

Während die drei in den weichen Sesseln versuchten, ihre Nerven zu beruhigen, beobachtete Renni durch einen Spalt in der Tür, wie sich der große Saal mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit füllte. Jeder einzelne Platz war besetzt, an den Wänden lehnten weitere Gestalten und hinten drängte sich eine neugierige Menge.

Punkt 10 Uhr ertönte ein sanfter Gong. Fennja betrat das Podium. Sie wartete einen Moment, bis das Stimmengewirr im Saal zu einem erwartungsvollen Schweigen wurde.

„Sehr geehrte Damen und Herren der Presse, liebe Interessierte, Händler und Abenteurer. Ich habe heute die große Ehre, die erste Pressekonferenz der Helden von Blumental, der Abenteurergruppe ‚Adiuva et Protege‘, zu moderieren. Bitte begrüßen Sie gemeinsam mit mir: Funny, Lily und Darin!“

Fennja drehte sich zur Seite und blickte zur Tür, hinter der Renni alles beobachtet hatte. Im Saal brandete lauter, donnernder Applaus auf. Renni drehte sich zu den Dreien um und nickte ihnen aufmunternd zu.

„Das ist das Zeichen. Geht ganz ruhig zu euren Plätzen.“

Funny stand als Erste auf, straffte ihre Schultern und atmete noch einmal tief durch. Darin folgte ihr, den Blick auf den Boden gerichtet. Als sich ihre Freunde in Bewegung setzten, sprang auch Lily, etwas hektischer als beabsichtigt, auf und trottete hinterher.

Als die drei den Saal betraten und zum Podium schritten, passierte etwas Seltsames. Der Applaus erstarb. Das Klatschen verebbte, bis eine fast unheimliche Stille herrschte. Adiuva et Protege war seit Wochen in aller Munde, ihre Taten wurden als legendär eingestuft. Aber niemand wusste genau, wer sich wirklich hinter dem lateinischen Namen verbarg. Die allgemeine Vorstellung war die von gestählten Veteranen, vielleicht mächtigen Magiern oder riesenhaften Kriegern. Entsprechend fassungslos war der Saal, als drei junge, fast zierlich wirkende Blumenelfen ihre Plätze einnahmen.

In der ersten Reihe saß eine schrumpelige, zerknautschte Gestalt, halb Zwerg, halb Ork – ein Zwork –, der sich als Erster aus der allgemeinen Starre löste und lospolterte, seine Stimme ein rasselndes Grollen: „Wollt ihr uns für dumm verkaufen? Diese Kinder! Blumenelfen!“, er spuckte das Wort regelrecht aus, als wäre es Gift. „Das sind doch nie und nimmer die Helden von Blumental! Die kenn ich nicht. Was soll der Quatsch?“

Pressekonferenz

Lily, deren anfängliche Nervosität schlagartig von aufkeimendem Ärger verdrängt wurde, murmelte leise, aber für die vorderen Reihen deutlich hörbar vor sich hin: „Ich kenn dich Zwork auch nicht und dein Käseblatt erst recht nicht. Bin ich deshalb gleich unhöflich?“

Renni, die hinter ihrem Pult saß, prustete hinter vorgehaltener Hand los. Die Reporter in der ersten Reihe, die Lilys Kommentar ebenfalls gehört hatten, gaben ihn kichernd an ihre Nachbarn weiter. Wie eine Welle verbreitete sich die Information, und der Saal brach in tosendes Gelächter aus.

Der Zwork, den Lily so treffend tituliert hatte, lief puterrot an und wollte zu einer wütenden Erwiderung ansetzen, doch Fennja schnitt ihm mit eisiger Autorität das Wort ab.

„Wir halten uns bitte an die Gepflogenheiten einer zivilisierten Pressekonferenz. Sie melden sich, und erst nach Erteilung des Wortes darf jeder seine Frage stellen.“

Zustimmendes Gemurmel ging durch den Saal. Der Zwork setzte sich widerwillig.

Fennja zeigte auf eine elegant gekleidete Elfen-Reporterin vom renommierten „Feenwald Kurier“. Diese erhob sich.

„Wir sind alle… überrascht. Da stimme ich meinem Kollegen vom „Schwarzwald Anzeiger“ zu“, sagte sie mit einem verächtlichen Seitenblick auf den Zwork. „Könntet Ihr Euch uns vielleicht kurz vorstellen?“

Lily lehnte sich zum Mikrofon.

Sie zeigte nacheinander auf ihre Freunde und dann auf sich. „Das ist leicht: Funny, Darin und ich bin Lily. Zusammen sind wir Adiuva et Protege.“

Sie lehnte sich zurück und faltete die Hände. Ende der Durchsage.

Der Saal verstummte erneut. Alle hatten offensichtlich eine Heldengeschichte, eine Aufzählung ihrer Ränge oder ihrer Herkunft erwartet. Rennis unterdrücktes Kichern war in der Stille deutlich zu hören.

Die Reporterin, sichtlich irritiert, setzte nach: „Und…?“ Lily zog eine Augenbraue hoch. „Und keiner weiter. Wir drei reichen. Was wollen Sie hören? Dass wir Blumenelfen sind, hat der Zwork doch schon gebrüllt.“

Wieder lachte der Saal, diesmal noch lauter.

Fennja rief den nächsten Reporter auf, einen stämmigen Menschen vom „Hauptstadt-Journal“.

„Wie genau habt ihr den Albus besiegt? Alle vorliegenden Berichte sind hier sehr vage.“

Lily zuckte mit den Schultern.

„War kein großes Ding. Funny und Darin haben die Bibliothek im Elfental aufgesucht, ein paar staubige Bücher gewälzt, eine Art Anleitung zur Vernichtung eines Albus erstellt, sind zurückgekommen, und dann haben wir ihn plattgemacht.“

Ungläubiges Staunen im Publikum. So einfach? Ein Albus, ein Dämon, der ganze Landstriche entvölkern konnte?

Lily fuhr fort, als würde sie ein Kuchenrezept erklären: „Ein Albus ist immer hungrig, er saugt Lebensenergie. Wir mussten also nur einen Weg finden, ihn festzuhalten und ihm unsererseits die Energie abzuzapfen. Wir Blumenelfen haben einen hübschen kleinen Zauber, den Regenbogenzauber, der entzieht dem Ziel Energie. Normalerweise wird er nur zur Unkrautbekämpfung eingesetzt“, der Saal gluckste amüsiert, „aber historisch wurde dieser Zauber tatsächlich zur Albus-Bekämpfung entwickelt. Je länger der Zauber auf einen Albus wirkt, umso schneller wird ihm die Energie entzogen. Die Energie haben wir in speziellen Kristallen gespeichert, mit denen wir später dann die Opfer wiederbeleben konnten.“

Noch ungläubigeres Staunen. Dieses Wissen galt als seit Jahrhunderten verloren. Der Reporter hakte sofort nach: „Aber wie habt ihr den Albus festgehalten? Nach allem, was wir wissen, ist das ein körperloser Dämon!“

Lily deutete mit dem Daumen auf Darin.

„Darin ist unser Technik-Guru. Er hat ein technisches Gerät entworfen und gebaut, mit dem wir den Albus festhalten konnten. Eine Art Energiekäfig. Für Darin ist das ein Klacks, er macht sowas in der Zeit zwischen dem Aufstehen und der ersten Kanne Kaffee.“

Darin wurde bei dieser öffentlichen Lobpreisung leicht rot und zog den Kopf zwischen die Schultern, was ihn nur noch sympathischer machte.

Fennja rief den nächsten auf. Mittlerweile reckten sich Dutzende Hände in die Höhe.

„Was sind Eure nächsten Ziele als Gruppe?“

Lily antwortete ohne zu zögern: „Die Prüfung zur Aufnahme ins zweite Akademie-Jahr bestehen!“

Das war so unerwartet, so bodenständig, dass der Saal erneut in Gelächter ausbrach.

Da konnte sich der Zwork nicht mehr halten. Er sprang auf und brüllte dazwischen, das Gesicht zu einer wütenden Fratze verzogen: „Ihr seid im ersten Jahr? Wie können solche Babies wie ihr solche Taten ausführen? Das ist doch alles erstunken und erlogen!“

In diesem Moment passierten drei Dinge gleichzeitig und in perfekter, wortloser Synchronisation. Funny schnippte mit den Fingern. Eine Kugel aus reinem, pulsierendem Licht erschien vor dem Gesicht des Zworks. Sie wirbelte und tanzte in hypnotisierenden Mustern. Gebannt starrte er hinein. Er bemerkte nicht, wie unter ihm der Boden erbebte und dicke, undurchdringliche Dornenranken aus den Fugen des Steinbodens schossen und sich in Sekundenschnelle zu einer dichten Hecke um ihn schlossen. Im Saal war es schlagartig totenstill geworden.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, stand Darin neben dem eingesperrten Zwork. Wo er eben noch auf dem Podium gesessen hatte, war nur noch leere Luft. Der Zwork spürte nun, wie etwas Eiskaltes und Rasiermesserscharfes an seinem Hals kitzelte. Es war die Klinge von Darins gewaltiger Doppelaxt.

Fennja auf dem Podium presste die Lippen zusammen, um ein breites Lächeln zu unterdrücken.

So schnell wie sie erschienen waren, verschwanden die Zauber wieder. Funnys Lichtkugel verpuffte, Lilys Dornenhecke zog sich knisternd in den Boden zurück, und Darin ließ seine Axt mit einer beiläufigen Bewegung in seiner Itembox verschwinden und stand einen Augenblick später wieder auf seinem Platz, als wäre er nie weggewesen.

Eine Sekunde atemloser Stille. Dann explodierte der Saal in einem Orkan aus Beifall und begeisterten Rufen. Das war keine Angeberei gewesen. Das war eine Demonstration von perfektem Teamwork, Geschwindigkeit und tödlicher Effizienz. Der Zwork, blass und zitternd, stampfte wütend und zutiefst gedemütigt auf und schlich unter dem spöttischen Gelächter der Anwesenden aus dem Saal.

Die Pressekonferenz ging weiter. Die Reporter fragten, und Lily antwortete, schlagfertig, direkt und ungeschönt. Sie war in ihrem Element, befeuert vom Adrenalin und der Unterstützung ihrer Freunde.

Pressekonferenz

Dann ertönte erneut der sanfte Gong. Fennja erhob sich.

„Vielen Dank für Ihr Kommen. Damit ist die heutige Pressekonferenz beendet.“

Ein Blitzlichtgewitter brach los, als jeder anwesende Fotograf versuchte, noch mindestens ein Bild der drei Freunde zu ergattern. Renni bahnte ihnen schnell einen Weg durch die Menge und führte sie zurück in den kleinen Raum.

Als sie die Tür schloss, fiel sie Lily um den Hals.

„Wahnsinn! Einfach Wahnsinn, wie du mit dieser Meute umgesprungen bist! Das war ganz großes Kino!“

Die Anspannung fiel von Lily ab. Sie sank in einen Sessel, als wären ihre Knochen aus Gummi.

„Puh… bin ich geschafft.“

Sie blickte auf.

„Ich brauch jetzt erst einmal einen Kaffee! Einen sehr, sehr großen Kaffee!“

Alle lachten. Die erste große Hürde in der Hauptstadt war genommen. Nun wartete die Prüfung.

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