Der Morgen im WG-Häuschen begann ruhig, bis es Poch-Poch-Poch am Fenster machte. Draußen hämmerte eine kleine Postelfe mit erstaunlicher Vehemenz gegen die Scheibe. Sie hielt einen versiegelten Brief in den Händen

Funny öffnete das Fenster und nahm den Umschlag entgegen. Das Siegel zeigte das Wappen der Krone.
„An Funny, Lily, Darin“, las sie vor.
Lily sprang auf wie ein Flummi.
„Mach auf! Mach auf! Ist es eine Schatzkarte?“
Darin, der gerade an einem neuen Schaltkreis bastelte, schaute skeptisch hoch.
„Wer ist der Absender?“
Funny brach das Siegel.
„Liebe Funny, liebe Lily, lieber Darin. Um Eure Leistungen für die Krone zu würdigen, laden wir Euch zu einem exklusiven Opernabend ‚Elfendreamer‘ ein. Abendkleidung ist vorgeschrieben. Hochachtungsvoll, Madleine, 1. Hofdame der Kronprinzessin Aurelia.“
Kaum hatte Funny den letzten Satz ausgesprochen, stieß Lily einen Kreischer aus, der Gläser hätte zerspringen lassen können.
„Ein Opernabend! Musik! Drama! Und Snacks!“
Dann hielt sie inne.
„Moment. Abendkleidung? Was ist Abendkleidung?“
Darin, trocken wie Toastbrot, antwortete ohne aufzublicken: „Dein roter Bikini ist es nicht.“

„Das sind besondere Kleider, die man zu gehobenen Anlässen trägt“, erklärte Funny geduldig. Sie faltete den Brief auf. Vier Karten fielen heraus. Drei Tickets und eine Ankündigung.
„Oh“, sagte Funny. „Hier steht: ‚Um 16:00 Uhr kommt Josepha, die Ausstatterin des Palastes, mit ihrem Team vorbei, um Euch einzukleiden.‘“
Darin starrte auf seine Uhr.
„Sagt der Brief auch etwas darüber, wann und wo wir sein müssen?“
Funny prüfte die Tickets.
„20:00 Uhr. Opern-Palais, Loge 3. Mit Abholservice um 19:00 Uhr.“
Lily begann sofort, wild zu schnattern.
„Wer alles da sein wird! Ob wir Kronprinzessin Aurelia sehen? Wie läuft man eigentlich in solchen Kleidern? Kann man darin kämpfen? Oder essen?“
Funny versuchte, sie zu beruhigen, wurde aber schnell vom Strudel der Aufregung erfasst. Darin sah seine Chance. Leise und unauffällig schlich er sich in seine Werkstatt und schloss die Tür ab.
Pünktlich um 16:00 Uhr klingelte es. Funny und Lily stürzten gleichzeitig zur Tür. Herein rauschte eine Elfe, die so streng aussah, dass selbst Staubkörner in ihrer Gegenwart Haltung annahmen. Josepha. Sie trug ein Maßband wie eine Waffe. Sie winkte kurz, und eine Armee von Dienern trug Kiste um Kiste ins kleine Wohnzimmer. Im Nu standen drei mobile Umkleidekabinen bereit.
„Wo ist Darin?“ fragte Josepha scharf.
Funny, die sich sonst furchtlos jeder Gefahr entgegenstellte, zuckte leicht zusammen und deutete zur Kellertreppe.
„Er ist… unten. In der Werkstatt.“
Josepha schnippte mit den Fingern zu einem der Diener.
„Hol ihn herauf! Wir liegen 20 Sekunden hinter dem Zeitplan.“
Funny blinzelte.
„Aber es sind doch noch drei Stunden bis zur Abfahrt!“
Josepha musterte die beiden Mädchen kritisch.
„Kindchen, wenn ich euch so ansehe… da brauchen wir mindestens vier. Also los! HOLT MIR JEMAND ENDLICH DIESEN DARIN!“
Ein Diener eilte nach unten. Er kam blass zurück.
„Der junge Mann sagt, er ist kein Opernfreund. Das ganze ‚Schickimicki‘ gehe ihm gegen den Strich. Er sei in einer heißen Phase seines Portalsystems und nicht ansprechbar.“
Man konnte förmlich sehen, wie im übertragenen Sinn Dampf aus Josephas Ohren schoss. Sie marschierte zur Treppe.
„DARIN! BEI DREI BIST DU HIER OBEN, ODER ICH KOMME HÖCHSTPERSÖNLICH ZU DIR HERUNTER UND ZIEHE DICH AN DEN OHREN HOCH!“
„EINS!“
Stille im Keller.
„ZWEI!“
„Darin, bitte!“ rief Funny verzweifelt.
„DR…“
Die Kellertür flog auf. Darin stand da, Öl im Gesicht, Schraubenzieher in der Hand, und sah aus wie ein begossener Pudel.
„…EI!“
Josepha lächelte eiskalt.
„Danke, Funny. Ich wusste, auf dich ist Verlass. Und du, junger Mann: Kabine drei. Sofort.“
Die nächsten Stunden waren brutal. Es wurde gezerrt, gezupft und geschnürt. Schuhe wurden probiert („Zu hoch!“ – „Zu flach!“ – „Zu rot!“), Haare gekämmt, die sich bei Darin magisch wehrten und sofort wieder verwuschelten. Make-up wurde aufgetragen, kritisiert und wieder entfernt. Brauen wurden gezupft (Darin jaulte auf).
Lily wollte zwischendurch protestieren, weil ein Korsett ihre Atmung auf Kolibri-Niveau reduzierte. Doch ein einziger Blick von Josepha reichte, und sie schlüpfte stumm in das nächste Kleid.
Um 18:55 Uhr öffneten sich die Kabinen ein letztes Mal. Heraus traten drei Gestalten, die kaum wiederzuerkennen waren. Josepha klatschte zufrieden in die Hände.
„Sehr gut. Meine Meisterwerke.“

Darin trug einen dunkelgrauen, perfekt geschnittenen Abendanzug mit silbernen Akzenten, die zu seinen Haaren passten. Als Funny ihn sah, wurden ihre Knie weich wie Pudding. Ein leises Seufzen entwich ihren Lippen. Er sah… unglaublich aus.
Als Darin Funny sah, vergaß er kurz zu atmen. Sie trug ein fließendes Kleid in tiefem Nachtblau, bestickt mit funkelnden Sternen. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, in das Funny am liebsten für den Rest des Abends versunken wäre.
Und Lily? Sie trug ein feuerrotes Kleid mit einem Schlitz, der so gewagt war, dass er gerade noch königlichem Protokoll entsprach. Sie drehte sich vor dem Spiegel.
„Schicke Klamotten“, urteilte sie. „Völlig unpraktisch für einen Kampf, aber schick!“
„Los jetzt“, befahl Josepha. „Eure Kutsche wartet. Wir räumen auf. Geht und amüsiert euch.“
Funny und Lily schwebten zur Kutsche. Darin lief wie auf Watte und hatte nur Augen für Funny. Die Mädchen waren bezaubernd.
Die Fahrt dauerte 45 Minuten. Um 19:55 Uhr saßen sie in Loge 3. Der Saal war prachtvoll, Kronleuchter funkelten, das Publikum war exquisit gekleidet. Pünktlich um 20:00 Uhr erlosch das Licht.
Es wurde dunkel. Sehr dunkel. Unnatürlich dunkel. Darin machte eine Handbewegung und hatte einen Scanner in seiner Hand. Itemboxen sind echt praktisch.
„Das ist kein Bühnenlicht“, flüsterte er scharf. „Das ist Finsternis-Pulver. Hochkonzentriert.“
Funny runzelte die Stirn.
„Gehört das zum Progra…“
Ein irres Lachen durchschnitt die Schwärze. Es steigerte sich zu einem markerschütternden Kreischen. Eine hohle Stimme rief von der Bühne: „Fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste, yo-ho-ho und ’ne Buddel Rum! UND JETZT AUF SIE!“
Panik brach im Saal aus.
Darin übernahm sofort das Kommando. „Funny: Wind! Lily: Linke Seite schützen! Funny: Rechts!“
Funny erhob sich. Mit einer eleganten Handbewegung entfesselte sie einen magischen Sturmstoß. WUUUSCH! Der Wind fegte durch den Saal und blies das Finsternis-Pulver hinfort.
Das Bild, das sich bot, war schrecklich. Fünfzehn piratische Dämonen – groteske Gestalten hielten in ihren verfaulten Händen sehr scharfe Entermesser. Mit glühenden Augen stürzten sie sich auf das Publikum Sie rissen den Damen die Colliers vom Hals und plünderten die Taschen der Herren.
Darin zog seine Axt aus der Itembox. Wild entschlossen sprang er über die Brüstung der Loge und flog direkt ins Parkett. KRACH. Seine Axt fuhr nieder. Der erste Angreifer zerfiel zu Staub, bevor er wusste, was ihn getroffen hatte.
Lily folgte ihm. Trotz des engen Kleides wirbelte sie elegant wie eine Tänzerin durch die Reihen der Dämonen. Ihre Naginata blitzte im Licht der Kronleuchter. Zack. Zack. Angreifer zwei und drei fielen.
Funny blieb oben und dirigierte das Schlachtfeld. Sie warf Barrieren, um flüchtende Gäste zu sichern, und schleuderte ihre Dolche auf Dämonen, die versuchten, Darin und Lily in den Rücken zu fallen.
Darin kämpfte wie ein Berserker im Smoking. Seine Axt schlug eine Schneise der Verwüstung. Zwei weitere Dämonen fielen unter seinen Hieben. Er behielt dabei die absolute Übersicht.
„Lily! Drei Uhr! Deckung!“
Lily duckte sich unter einem Säbelhieb weg und konterte mit einem präzisen Stoß.
Da ertönte wieder die hohle Stimme. Ein riesiger Phantom-Dämon materialisierte sich auf der Bühne. Er trug einen Kapitänshut und hatte Augen wie glühende Kohlen.
„WEN HABEN WIR DENN HIER? DREI BLUMENELFEN? WIE NIEDLICH!“
Funny rief: „Lily! Schütze die Besucher!“
„NEIN!“ kreischte der Phantom-Kapitän. „TÖTEN! VERNICHTEN! LASST NIEMANDEN AM LEBEN!“
Lily lachte spöttisch.
„Ich leg noch einen Zahn zu, Käpt’n Hässlich! Heute stirbt hier niemand!“
Ihre Naginata rotierte wie ein Propeller und durchbohrte gleich zwei Dämonen, die sich ihr in den Weg stellten.
Funny sah, wie zwei Dämonen ihre giftigen Krallen nach einem jungen Tiermenschenpaar ausstreckten. Mit einer fließenden Bewegung warf sie ihre Dolche erneut. Treffer. Die Dämonen lösten sich auf.
Der Phantom-Kapitän fixierte Darin.
„Ich wollte nur Gold und Edelsteine. Aber jetzt raube ich deine hübschen Begleiterinnen und mache sie zu meinen Sklavinnen!“
Darin blieb stehen. Er richtete seine Brille. Sein Blick war eiskalt.
„Heute nicht.“
Er hob seine schwere Doppelaxt. Er wirbelte sie einmal, zweimal über dem Kopf, dass die Luft sang. Dann ließ er sie los. Die Axt flog wie eine rotierende Scheibe des Todes quer durch den Saal. WUSCH. Sie traf den Phantom-Kapitän genau am Hals. Der Kopf fiel zu Boden. Der Körper löste sich in schwarzen Rauch auf.
Im selben Moment erledigte Funny von oben die letzten beiden Dämonen mit präzisen Würfen ihres Messers. Eine Handbewegung und die Messer befanden sich wieder in ihren Händen. Lily zog ihre Naginata aus zwei Dämonen, die sie mit Schwung an die Wand der Königsloge genagelt hatte.
Es war 20:10 Uhr. Stille.
Dann klatschte jemand. Ein einzelner, dünner Applaus. Dann noch einer. Plötzlich brach ein Sturm der Begeisterung los. Das Publikum jubelte, pfiff und trampelte. Die Drei verneigten sich lächelnd.
Darin flüsterte: „Das macht mehr Spaß, als einer blöden Oper zuzuhören.“
Lily kicherte.
Funny flüsterte: „Ich wünschte Du würdest jeden Tag so einen schicken Anzug tragen.“
„Gerne, wenn der nicht so unpraktisch wäre“, flüsterte Darin zurück.

RUMMS. Die großen Flügeltüren des Saals wurden eingetreten. Die königliche Leibwache stürmte herein, Waffen im Anschlag, bereit zum Kampf.
Lily stützte sich lässig auf ihre Naginata, zupfte ihr Kleid zurecht und rief spöttisch in die Stille: „Jungs! Zu spät! Die Vorstellung ist schon aus!“
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